Amtliche Meldung

Wie eine mutige Fredenbeckerin gegen Nazis kämpfte – und verlor

Debbie Bülau will die Erinnerung an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft wachhalten. Erstmals wird einer mutigen Widerstandskämpferin aus Fredenbeck gedacht. Sie war die erste Frau, die im KZ Fuhlsbüttel ums Leben kam.

Steinmetz Frank Bartels aus Stade setzte vor den Augen von Debbie Bülau und ihren Mitstreitern auf den Friedhöfen in Helmste, Wedel, Fredenbeck und Schwinge die neuen Stelen – finanziert von einem Stader, der ungenannt bleiben will. Bülau dankte Ernst-Wilhelm Cordes vom Friedhofsausschuss der Samtgemeinde Fredenbeck für die erneute Unterstützung durch Politik und Verwaltung. Die Gedenksteine erinnern unter anderem an britische Soldaten sowie die Opfer der Zwangsarbeit und der Euthanasie-Morde in der Zeit des Nationalsozialismus.

Erstmals wird in Fredenbeck auch der Mut der Sozialdemokratin Katharina Corleis gewürdigt. Die Fredenbeckerin wurde am 26. Juni 1935 im Konzentrationslager Hamburg-Fuhlsbüttel von den Nationalsozialisten ermordet. In Hamburg erinnert bereits seit dem 8. März 2007 ein Stolperstein an die SPD-Politikerin.

Erinnerung an eine mutige Frau aus Fredenbeck

„Sie war eine mutige Frau“, sagte Bülau. Katharina Corleis – eine geborene Engelke – erblickte am 15. Dezember 1877 das Licht der Welt in Groß Fredenbeck. Mit ihrem Mann Friedrich, er stammte aus Deinste, zog sie nach der Heirat nach Hamburg. Das Paar bekam fünf Kinder. Sie betrieben eine Gärtnerei in Hamm, Friedrich arbeitete bei den Gaswerken. Beide waren überzeugte Sozialdemokraten, engagierten sich auch bei der Konsumgenossenschaft Pro. Sie warnten vor und auch nach der Machtergreifung im Jahr 1933 immer wieder vor den Nationalsozialisten.

Beide waren überzeugt, dass die Faschisten das Land in einen „inszenierten Krieg“ und in den „Untergang“ treiben werden. Im Zuge des „antifaschistischen Widerstandskampfes“ sammelten sie Spenden. Damit unterstützten die Sozialdemokraten unter anderem Menschen, die ihre Arbeit als Gegner des Dritten Reiches verloren hatten und Not litten. Außerdem verteilten sie politische Schriften. Katharina Corleis und ihre Mitstreiter wussten, worauf sie sich einließen. Sie kannten das Risiko, so Bülau.

Die Geheime Staatspolizei (Gestapo), die berüchtigte politische Polizei des NS-Regimes, hatte sie längst auf dem Kieker. Die Gruppe aus Billstedt wurde seit Weihnachten 1934 observiert. Am 18. Juni 1935 stand die Gestapo frühmorgens auch vor ihrer Tür, gemeinsam mit 47 weiteren Genossen kam Katharina Corleis in Haft. Im Januar 1946 sagte Friedrich Corleis: „Meine Frau wurde um 4 Uhr morgens von der Gestapo in ihrem Haus im Öjendorfer Weg 41 verhaftet. Sie erhob mutig gegen ihre Verhaftung Einspruch und wurde daraufhin in meiner Gegenwart angepöbelt. Man sagte ihr, dass bekannt sei, was sie auf dem Kerbholz habe, denn sie bekleide in der verbotenen SPD einen wichtigen Posten. Außerdem sei sie im Besitz von illegalen Schriften und verteile diese trotz des Verbots weiter.“

Nazis ermordeten Widerstandskämpferin im KZ Fuhlsbüttel

Katharina Corleis kam erst in das Polizeigefängnis – von 1933 bis 1943 eine Zentrale des NS-Terrors in Hamburg – im Stadthaus, später ins KZ. Am 26. Juni 1935 bekam Corleis die Mitteilung, seine Frau habe sich in der Nacht zum 25. Juni 1935 in ihrer Zelle erhängt. Friedrich Corleis musste am 27. Juni im Stadthaus erscheinen, die Gestapo teilte ihm mit, dass sich seine Frau aufgrund ihres „schlechten Gewissens erhängt“ habe. Sie war die erste Frau, die im KZ Fuhlsbüttel ums Leben kam.

Bei der Leichenschau durfte die Familie nicht an den Sarg treten. Historiker sind überzeugt, dass Corleis ermordet worden ist – und der angebliche Suizid als Todesursache wie in vielen anderen Fällen das Verbrechen vertuschen sollte. Weil die Nazis einen Auflauf von SPD-Anhängern befürchteten, durfte die Familie sie nicht in Billstedt beisetzen. Ihre Leiche wurde in Ohlsdorf verbrannt, die Urne auf dem Friedhof Schiffbek in kleinem Kreise beigesetzt.

Erinnerung an Fredenbecker, der zwangssterilisiert wurde

Das Oberlandesgericht warf den übrigen Mitgliedern der Widerstandsgruppe „Vorbereitung zum Hochverrat“ vor. Sechs von ihnen verurteilten NS-Richter zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten und drei Jahren. „Wir werden – unterstützt vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – auch noch Geschichts- und Erinnerungstafeln aufstellen“, so Bülau.

Auf dem Friedhof in Helmste setzen Debbie Bülau und ihre Mitstreiter eine weitere Stele für britische Soldaten, die 1945 im Zweiten Weltkrieg getötet worden sind. Keith Orton von der Royal British Legion (links) lobt das Engagement für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Großbritannien.

Auf der Fredenbecker Stele steht noch ein weiterer Name: Johannes Joachim Meincke (1910 – 1941) aus Klein Fredenbeck. Er war nach einem Suizid-Versuch im Jahr 1927/1928 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen worden. Im Jahr 1935 wurde er im Krankenhaus Stade aufgrund eines Beschlusses des Erbgesundheitsgerichtes vom Amtsarzt des Landkreises Stade zwangssterilisiert – wie weitere 950 Menschen. Nach einem weiteren Zwangsaufenthalt ab 1940 in Lüneburg kam er 1941 ins Magdalenen-Kloster in Hildesheim. Dort starb er 1941 – an Unterernährung.

Quelle: Stader Tageblatt

 

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